So sah es unser Backliner Daniel:
Als wir mitten in einem Tunnel sind, verkündet das Navigationssystem lakonisch, das wir unser Ziel erreicht hätten. Das trägt enorm zum Anheben der Stimmung bei. Wir fahren im Zielgebiet eine Weile im Kreis, aber können nichts finden. In einem Park fragen wir junge Leute nach dem Weg und kommen mit leichter Übertretung der Verkehrsordnung doch noch an. Die Röhre ist versteckt neben einem andern Tunnel und sollte irgendwann selbst mal einer werden. Im Krieg oder kurz danach. Der Laden ist ziemlich runtergerockt, das hätten wohl auch Mia am Montag berichtet. Die Band weiß nicht so recht und meine Appelle an ihre punkige Ader im sehr punkigen Backstage kommen nicht ganz durch. Immerhin aber regen in den sanitären Anlagen zahlreiche Aphorismen zum Nachdenken an, z.B. dass hinter jedem Vermögen ein Verbrechen stehe (Balzac), oder die Empfehlung man möge so arbeiten, als bräuchte man das Geld nicht, tanzen, als sähe niemand zu und vögeln, als würde man gefilmt werden (anonymus). Darüber hinaus erfüllt es mich irgendwie mit Stolz auf der gleichen Toilette sitzen zu können, wie Mitglieder von Biohazard vor einigen Jahren. Zur Überbrückung der Zeit will Angelo beschäftigt werden, wenn auch die entscheidenden Impulse zur Ausgestaltung dieser Aufgabe von ihm selbst kommen. Wir spielen Frisbee im leeren Konzertraum mit einem alten Snare-Fell. Fliegt erstaunlich gut. Damit kriegen wir viel Zeit rum und einige Kleinigkeit kaputt.
Es ist nachher gut gefüllt, die Band spielt ein etwas müdes, aber trotzdem umjubeltes Konzert. Was war los? Keine Ahnung. Vielleicht das nahende Ende.
Nachher, als alles nach Aufbruch aussieht, splittert sich die Hälfte unserer Gemeinschaft ab um in Begleitung einiger junger Damen das Stuttgarter Nachtleben unsicher zu machen. Es dauert eine Weile, bis wir es finden und Nino verrät mir zwischendrin, wie sehr er das neuerdings auf Tour vermisst. Das ist wohl der Preis des Wachstums und fast biete ich ihm an, doch einfach mal wieder bei uns mitzukommen und prahle mit Berichten meiner vergangenen Woche. Auch freue ich mich, in Uwes Jacke, die er in München im Bus vergessen hat und die ich mir der Temperaturen wegen aneigne, etwas essbares zu finden: eine Birne und einen Müsliriegel. Die Birne gebe ich zur Teilung frei, aber VJ! stehen ja nicht so auf frisches Obst. Den Müsliriegel lasse ich unangetastet und verteidige ihn gegen die Gier der anderen. Es gehört sich nicht, jemandes Müsliriegel in dessen Abwesenheit zu veräußern. Wir landen im Oblomow, wo wir auch vor einem Jahr schon mal gemeinsam versackt sind. Leider ist es nicht mehr ganz so hässlich, aber immer noch abstoßend genug. Ich komme endlich mal mit Michel ins Gespräch, was echt gut ist. Er ermuntert mich schließlich zum Kickern, ist leider unfassbar gut und während des Spiels überkommt mich wieder das gewohnte Gefühl, einer höheren Macht dabei zuzusehen, wie sie über meine Belange entscheidet. Zurück am Tisch. Das Mädchen neben Nino betont, dass sie unglaublich aufgeregt sei. Nino, der inzwischen, den Kopf auf seinen verschränkten Armen zu liegen hat, das Gesicht nach unten, fragt: aber warum denn? Nach einer kurzen Pause antwortet sie, sie sei unglaublich aufgeregt. Nino: aber warum denn? Und das geht dann immer so weiter. Michel und ich entschließen uns zum Gehen. Es bleiben noch dreieinhalb Stunden oder so zum Schlafen und ich muss morgen wieder den Bus fahren. In der seltsamen Unterkunft haben wir auch vor einem Jahr schon mal geschlafen. Diesmal bin ich im gelben Zimmer. Während ich darauf warte, dass die Bettwäsche aus Satin nicht nur Wärme aufsaugt, sondern auch zurückgibt, fällt mir ein, dass ich diesen Räumen mal Fiete Klatt Unterwäsche geborgt habe. Darüber schlafe ich ein. Matthias und Nino kommen zweieinhalb Stunden später nach.