In Österreich habe ich mitten im Wald ein Kloster entdeckt. Zwischen den Bäumen tauchen plötzlich Gebetsfahnen auf, auf einem Hügel ragt ein Schorten in den Himmel. Ich muss mir schon zwei-, dreimal durch dieAugen reiben, um auch zu glauben, was ich da sehe. Im April noch haben mich Klöster jeden Tag begleitet. Im Himalaya habe ich mich von Mönchkindern verarschen und von tibetischen Meisterköchen verwöhnen lassen. Hier nun ein kleiner Plausch mit einem tibetischen Koch zwei Kilometer entfernt von der Poolbar. Während die Köche in Indien noch traditionell auf offenem Feuer kochen und am Brunen spülen, wird in Feldkirch die Spülmaschine eingeräumt und auf einem E-Herd gekocht. Dies in der Kombination Mönchsfrisur und Mönchskleidung ist äusserst bizarr. Bizarr war auch das Konzert für mich. Ich habe währendessen das Gefühl, bizarr beschissen zu spielen und bizarr langweilig zu sein. Während ich nach dem Konzert brabbele "Das war ja wohl echt scheisse." schauen mich die anderen ganz entsetzt an. "Das war doch total super!" meint Thomas, ich zucke mit den Schultern. Manchmal kann man eben am selben Ort, zur gleichen Zeit, absolut Identisches sehen und hören, aber eben komplett unterschiedlich empfinden. Ein Hoch auf die Wahrnehmung! How bizarre, how bizarre! Die nächsten 48 Stunden laufen Wahrnehmungstechnisch gleichgeschaltet ab. Wir verbringen unseren freien Tag bereits auf dem Melt und jeder glaubt, sich auf einem anderen Planeten zu befinden. Zwischen rostigen Krahnriesen bewegen sich Menschen mit verrückten Sonnenbrillen von einer Bühne zur nächsten. Wie einsame Sterne kreisen Diskokugeln in der Nacht, Leuchtstrahlen berühren sich an den Enden, Notwist spielen. Die Grenzen verschwinden zwischen bunten Pillen und Beton. Vor unserem Bus wird gegrillt, dazu spielt Jamie T., danach dröhnt ein Techno DJ über den Zaun, Kettcar stimmen die Gitarren, Dendemann hat noch immer eine Stimme. Ich tanze ohne Aufputsch bis morgens um sieben, sehe der Sonne entgegen und bejubele den DJ, als wäre es John Lennon. War das so in England 1988, war das so in Berlin 1992? Über Virginia Jetzt! auf dem Melt! müssen wir nicht lange reden. Worst Festival Konzert 2007. Bizarr scheisse und das hat jeder so gesehen! Wir ärgern uns ziemlich und schaffen erst bei Hot Chip das Gute-Laune-Comeback! Ich bekomme Gänsehaut bei "Over and over". Wie glücklich eine 130 Bpm Bassdrum, eine sich steigernde Synthesizer-Fläche, ein wieder einsetzender Bass machen kann. Wie glücklich MUSIK machen kann, was da so physisch ausgelöst wird. BIIIIZAAAARRRRRR! Bei Trentemöller kocht bei Thomas und mir innerlich alles über. Wenn man monatelange Finsternis oder ewiges Licht braucht, um solche Musik machen zu können, dann soll unser nächstes Album bitte in Dänemark produziert werden. Als bei Simian Mobil Disko dann auch noch ein Feuerwerk zwischen den Baggern explodiert, 15.000 Menschen laut schreien, sich der Rauch zwischen den Eisenstangen verfängt, reibe ich mir zum zweiten Mal in kürzester Zeit die Augen. England 88 / Berlin 92 / Melt! 07. WIR WAREN DABEI.